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Stärken fördern – nicht nur Schwächen beklagen

«Die Bedeutung von St. Moritz als Bündner Wirtschaftsmotor ist zentral,» kommentiert eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforums Graubünden. Das Papier zeigt auf, dass St. Moritz und andere Bündner Tourismusorte die finanziellen Musterknaben sind, wenn man ihre kantonale Förderung mit ihren finanziellen Abgaben an den Kanton vergleicht. Sie – respektive ihre Steuerzahler – leisten einen wesentlichen Beitrag zu ausgeglichenen Bündner Kantonsfinanzen.

Bündner Tagblatt vom 2. Juni 2014

Alessandro Della Vedova* veröffentlich regelmässig Thesen zu aktuellen wirtschaftlichen und politischen Themen.

Von Alessandro Della Vedova*

 

Da und dort war sofort vom «Gegensatz zwischen Arm und Reich» zu hören, wenn es um die Ergebnisse der Studie ging. Dieser Vergleich ist aber gar nicht relevant. Die Studie zeigt nämlich auf, dass aus kantonaler Sicht nicht der Unterschied zwischen «armen» und «reichen» Gemeinden zählt. Entscheidend ist viel mehr die steuerliche Leistungsfähigkeit einer Region. Und die kommt aus dem laufenden Geschäft der Steuern zahlenden Unternehmen und Einwohner. Sie gilt es zu fördern.


«Der Kanton tut gut daran, mit einer sachgerechten Wirtschaftspolitik für eine günstige Entwicklung der Destination St. Moritz zu sorgen», folgern die Autoren der Studie. Die Empfehlung mit Bezug auf St. Moritz lässt sich auch auf den Rest des Kantons anwenden: Statt die Tourismusregionen für ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu bestrafen, sollte der Kanton sie und ihre Unternehmen dabei unterstützen, ihre Wirtschaftsleistung zu sichern und weiter zu steigern.


Die Zeit drängt: Während wir heute noch die hohen kantonalen Steuereinnahmen aus St. Moritz beklatschen können, wird es in fünf Jahren schon ganz anders aussehen. Nach einem letzten Aufflackern des Baubooms stehen die Tourismusgebiete wegen der Zweitwohnungsinitiative vor einem grossen wirtschaftlichen Umbruch. Ihre steuerliche Leistungsfähigkeit wird darunter leiden; und damit auch die Kantonsfinanzen. Und das kann niemanden freuen: Tourismusgebiete wie Davos, Flims/Laax oder St. Moritz sind unsere Wirtschaftsmotoren. Ohne sie und ihr Steuersubstrat kann der Kanton seine grundlegenden Leistungen für die gesamte Bevölkerung nicht mehr erbringen.

«Sagen muss es den Churern halt jemand.»

Wer kantonale Volksentscheide und Parlamentsdebatten der vergangenen Jahre Revue passieren lässt sieht, dass dieses Grundverständnis fehlt. Von «Neid und Missgunst» war etwa die Rede, als der Norden und Nordwesten des Kantons dem Süden und Südosten die Olympiakandidatur nicht gönnen wollten. «So viel Geld für die reichen Orte» sei der falsche Ansatz, wurde damals erfolgreich argumentiert.


Irgendwie verständlich: Die Bündner Politik hat es – genauso wie die eidgenössische – verpasst, der Bevölkerung den Sinn des (wirtschaftlichen) Zusammenhalts in unserem Land glaubhaft zu machen. Dass beispielsweise die Herrschaft oder Chur mitprofitieren, wenn es dem Oberengadin gut geht, ist eigentlich eine Binsenweisheit – aber sagen muss es den Herrschäftlern und den Churern halt jemand. Genauso gilt es aber auch, in den Tourismusgebieten beispielsweise die Bedeutung und die Kosten der Hauptstadtfunktionen zu erklären, welche Chur für sie erbringt.


Nun, da das Bündner Kantonsparlament neu gewählt ist, wäre ein guter Zeitpunkt, zumindest schon einmal die Politik für die Bedürfnisse der verschiedenen Gebiete des Kantons zu sensibilisieren. Statt den Kanton zwischen «armen und reichen» Gemeinden zu dividieren, sollten wir damit beginnen aufzuzeigen, wer in der Gesamtbetrachtung was leistet, wer von diesem Kanton was bekommt und – auch das gehört zwingend dazu – transparent zu machen, woher die Gelder dafür kommen.


Die vorliegende Studie des Wirtschaftsforums Graubünden ist ein guter Anfang dazu. Nun kann man sich überlegen, wie eine sinnvolle Wirtschaftsförderung der Zukunft aussehen soll. Wer die Studie genau liest, erkennt die Stossrichtung dazu: Wir tun gut daran, unsere Stärken zu fördern, statt unsere Schwächen zu beklagen.

 

 

*Alessandro Della Vedova ist Vizepräsident der CVP Graubünden, Grossrat Kreis Poschiavo und Podestà  der Gemeinde Poschiavo. 

Die erwähnte Studie kann hier heruntergeladen werden.

 

 

Dieser Beitrag erschien im Bündner Tagblatt vom 2. Juni 2014.