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«Daten sammeln reicht schon lange nicht mehr»

Die «Digital Customer Journey» wird immer mehr zum zentralen Element bei der Vermarktung von Ferien und Gästeerlebnissen. Sie zu entwickeln und zu pflegen ist eine der wichtigen Zukunftsaufgaben jeder Destination. Der Engadiner Digitalexperte Werner Pircher berät den Kanton und die Engadin St. Moritz Tourismus AG dabei.

Der Engadiner Digitalexperte Werner Pircher gründete die Agentur Spotwerbung zusammen mit Dario Cantoni.

Apps, Websites und digitale Hilfsmittel halten wie in allen Lebensbereichen auch in der Freizeit und den Ferien Einzug. Schon lange gibt es kaum mehr ein Hotel, das nicht weltweit über ein Online-Reisebüro buchbar ist, Mietbikes oder Bahnreisen werden im Internet gebucht und die Wetter- und Strassenverhältnisse sind ständig online verfügbar. «Aber Ferien bestehen aus viel mehr als Anreise, Übernachtung und der Miete von Sportgeräten», sagt Werner Pircher von der St. Moritzer Agentur Spotwerbung, die Destinationen und Anbieter im ganzen Alpenraum in Digitalisierungsfragen unterstützt. «Die Digitalisierung gibt dem Gast die Möglichkeit, sein ganz persönliches Ferienerlebnis zusammenzustellen, wenn die Anbieter mit einer Destination zusammenspannen und ein umfassendes digitales Gästeerlebnis gestalten.»

Die digitale Reise eines jeden Gastes beginn mit Fotos, Berichten oder Filmen im Internet. Sie sind die Inspiration, sich näher mit einem Reiseziel zu befassen. Nach einem Dutzend oder mehr besuchten Websites, bucht ein Gast dann meist über ein Onlinereisebüro seine Reise und Unterkunft. Hier fängt er an, Daten zu seinem Ferienverhalten zu generieren. Einmal angereist, sucht er sich dann verschiedenste Erlebnisse zusammen und bucht sie – oft ebenfalls online – und hinterlässt weitere Daten.


«Je mehr Anbieter im Shop, desto besser für alle.» 

Digitale Plattformen erstellen von ihren Kunden Profile aus Daten. «Wenn es uns gelingt, dass ein Gast möglichst viele seiner Buchungen über unsere Plattformen erledigt, können wir ihn besser kennenlernen und ihm mit der Zeit Vorschläge machen, die auf ihn massgeschneidert sind», erklärt Pircher. Ein zentrales Element der touristischen Digitalisierung des Engadins sind deshalb die «Experience Shops» der Marken Engadin und St. Moritz. Hier können alle Anbieter der Region ihre Produkte online anbieten und verkaufen. Der Shop ist für die Anbieter kostenlos.

Die Gäste bekommen in den Shops einen schnellen Überblick über alles, was sie im Engadin buchen und erleben können. Je mehr Anbieter ihre Produkte im Shop verkaufen, desto besser für alle: Denn der Shop registriert, wofür sich ein Gast interessiert und schlägt ihm anhand seines wachsenden Profils zusätzliche Dinge vor, die er unternehmen könnte. Bucht jemand zum Beispiel eine Kinderlektion in einer Surfschule, könnte er sich für weitere Familienangebote oder für weitere Aktivitäten am See interessieren. Ein gut gemachtes digitales Gästeerlebnis ist aber nicht eine aggressive Werbe- und Verkaufsmaschine. Vielmehr wägt das System anhand vieler Kriterien ab, was einem Gast gefallen könnte und schlägt es ihm dann vor. «Der Gast bekommt einen digitalen Reisebegleiter, der ihn zu Erlebnissen führt, die er allein vielleicht gar nie entdeckt hätte», erklärt Werner Pircher.

Für Touristiker und lokale Anbieter sind die Daten der Gäste goldwert, «wenn sie denn etwas damit anfangen können», schränkt Pircher ein. Die Auswertung von grossen Datenmengen ist nämlich so aufwändig, dass sie einzelne Anbieter schlicht überfordert. «Dies ist eine klassische Zukunftsaufgabe einer Destinationsorganisation», sagt Pircher. «Einzelne Anbieter sind dafür viel zu klein.»


Kein Kompromiss beim Datenschutz

Wo grosse Datenmengen anfallen, stellt sich immer auch die Frage nach dem Schutz dieser Daten vor Missbrauch. «Ein enorm wichtiges Thema!» bestätigt Pircher. «Wir machen hier keine Kompromisse. Unser Datenschutz orientiert sich an den weltweit strengsten Richtlinien. Unsere Benutzer können jederzeit entscheiden, was mit ihren Daten gemacht werden darf und ihre Profile jederzeit löschen. » Die Digitalisierung des Tourismus ist eine Herkulesaufgabe, der die Engadin St.Moritz Tourismus AG eine sehr grosse Bedeutung beimisst. «Lange war das Engadin hier weit abgeschlagen», sagt Pircher dazu. «Heute sind wir im Vergleich mit anderen Destinationen in den Alpen bereits in einem guten Mittelfeld und in einigen Jahren können wir zu den digital führenden Destinationen gehören.»

Die Digital Customer Journey sei eine langfristige Destinationsaufgabe, die sich rasant weiterentwickle, sagt Pircher. «Es reicht nicht, wenn wir mit einer App viele Daten sammeln. Die Destination muss auch in der Lage sein, mit den Daten etwas anzufangen. Aber wir sind auf einem guten Weg.» Dass digitale Werkzeuge im Tourismus einst die Menschen ersetzen, verneint Pircher entschieden: «Im Kern hat sich der Tourismus nicht verändert. Er lebt von den Ideen, gutem Handwerk und dem Willen, jeden Tag ein guter Gastgeber zu sein. Unsere Gäste kommen zu uns, um andere Menschen zu treffen und die Natur zu erleben.»

 

Werner Pircher (59) ist Gründer und Mitinhaber der St. Moritzer Agentur Spotwerbung. Im Auftrag des Kantons Graubünden arbeitet er in der Arbeitsgruppe «Digital Road-map Graubünden», welche die Digitalisierung des Bündner Tourismus begleitet. 

 

Dieser Artikel erschien Anfang Juni 2022 in der Zeitung «Giazetta Tuissem», die von der Engadin St. Moritz Tourismus AG halbjährlich herausgegeben und im Engadin verteilt wird. Christian Gartmann zeichnet für die gesamten Inhalte dieser Ausgabe verantwortlich.