News

News Kommunikation Public Affairs

Risikoanalyse beziffert möglichen Schaden in Brienz/Brinzauls

Die Rutschung des Bündner Bergdorfes Brienz/Brinzauls gefährdet Sachwerte von bis zu 177 Millionen Franken. Zu diesem Schluss kommt eine Risikoanalyse des Kantons Graubünden. Sie ist Teil der Abklärungen für den Bau eines Entwässerungsstollens, mit dem die Rutschung technisch saniert werden soll.

Die von der Rutschung Dorf gefährdeten Sachwerte im Überblick. Grafik: AWN Graubünden

Das Dorf Brienz/Brinzauls mit Gebäuden, Bauland, Strassen und Leitungen sowie drei Kantonsstrassen, mehreren Starkstrom- und Datenleitungen und die Albulalinie der Rhätischen Bahn liegen im Bereich Brienzer Rutschs in der Gemeinde Albula/Alvra, der sich seit mehreren tausend Jahren talwärts bewegt. Mit dem Bau eines Entwässerungsstollens soll die Rutschung «technisch saniert» und so weit verlangsamt werden, dass das Dorf Brienz/Brinzauls langfristig weiter bewohnt und die anderen Infrastrukturen weiter betrieben werden können.

Wenn der Kanton oder der Bund Subventionen für Schutz- und Sanierungsmassnahmen gegen Naturgefahren gewähren, tun sie das auf der Basis der Waldgesetzgebung. Diese schreibt vor, dass Schutzmassnahmen einerseits wirksam und andererseits auch wirtschaftlich vertretbar sein müssen. Um die Wirtschaftlichkeit von Massnahmen zu berechnen, muss festgestellt werden, welcher Schaden im Maximum durch eine Gefährdung entstehen könnte. Zudem wird berechnet, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Schaden überhaupt eintritt. Nun liegt eine solche Einschätzung für den unteren Teil des Brienzer Rutsches zwischen dem Dorf Brienz/Brinzauls und dem Fluss Albula vor. Er wird «Rutschung Dorf» genannt. 


Gebäude, Verkehrswege, Leitungen und Bauland

Die Risikoanalyse des Kantons für die Rutschung Dorf betrachtet Infrastrukturen und Sachwerte von Privaten, Unternehmen und der Gemeinde, die durch die Rutschung Dorf beschädigt oder zerstört werden könnten. Gesamthaft haben diese einen Wert von rund 177 Millionen Franken. Dazu gehören Gebäude im Versicherungswert von knapp 77 Millionen Franken, Strassen im Wert von gut 22 Millionen, Wasser- und Abwasserleitungen im Wert von knapp 9 Millionen, Hochspannungs- und Datenleitungen für 10 Millionen und die Albulalinie der Rhätischen Bahn im Wert von 7 Millionen Franken. Ebenfalls einberechnet wird der Wert von Bauland im Umfang von 14,5 Millionen und Nutzland für 19 Millionen sowie Mobilien (bewegliche Gegenstände in Gebäuden etc.) für 18 Millionen Franken.

«Die Berechnung des möglichen Gesamtschadens wird uns durch das Gesetz genau vorgegeben», sagt Christian Wilhelm, Bereichsleiter Naturgefahren des Amts für Wald und Naturgefahren Graubünden (AWN). «Gleich wie bei anderen Berechnungen dürfen wir auch im Fall von Brienz/Brinzauls die Entwertung von Bauland nur bedingt berücksichtigen. Es verliert an Wert, wenn man im Bereich der Rutschung nicht mehr bauen darf. Trotzdem sieht die Waldgesetzgebung dafür nur eine geringfügige Entschädigung vor.»

«Der Brienzer Rutsch ist eine grosse Herausforderung für alle Betroffenen. Er stellt die Bewohnerinnen und Bewohner von Brienz/Brinzauls vor Fragen, die im wahrsten Sinn existenziellen Charakter haben», sagt Gemeindepräsident Daniel Albertin. «Die Gemeinde setzt zusammen mit Bund und Kanton alles daran, Brienz/Brinzauls langfristig zu erhalten, denn es ist für viele Familien seit Generationen ihr Zuhause. Deshalb prüfen und unternehmen wir alles, um das Dorf langfristig zu retten.»

Dennoch müsse auch die finanzielle Seite der Sanierungsmassnahmen betrachtet werden, betont der Gemeindepräsident. «Die Gemeinde, aber auch der Kanton und der Bund können nur Gelder für Sanierungsmassnahmen sprechen, wenn diese wirksam sind und wenn die Massnahmen nicht teurer werden als der mögliche Schaden, den sie verhindern.»


Analyse zur Rutschung Berg in Arbeit

Die nun vorliegende Risikoberechnung umfasst die Schäden durch die Rutschung Dorf. Eine zweite Berechnung für die «Rutschung Berg» ist in Arbeit. Diese liegt oberhalb des Dorfes und birgt Gefahren durch abrutschende oder abstürzende Felsmassen, die das Dorf Brienz/Brinzauls oder die Ortsteile Vazerol, Surava oder Tiefencastel beschädigen könnten. Die zweite Berechnung ist allerdings wesentlich komplexer, wie Christian Wilhelm vom AWN ausführt: «Die Schäden durch die Rutschung Dorf sind relativ einfach zu verstehen und abzuschätzen, denn sie werden uns und den Betroffenen jeden Tag vor Augen geführt.» Anders ist das bei der Rutschung Berg. Hier werden die möglichen Schäden in Computersimulationen berechnet. Diese können heute zwar ziemlich genau berechnen, bis wohin zum Beispiel ein Bergsturz Schäden verursachen würde, wenn ein bestimmtes Felsvolumen aus einer bestimmten Zone abbrechen würde. «Was wir aber nur grob voraussagen können, ist die Frage, wo was passiert und wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass es überhaupt passiert», sagt Naturgefahrenexperte Christian Wilhelm.

Die Risikoanalyse zur Rutschung Berg umfasst neben der Rutschung selbst auch Vazerol und Teile von Surava und Tiefencastel, die durch schnelle Prozesse, wie einen Bergsturz oder Folgeprozesse, wie zum Beispiel Murgänge, beschädigt werden könnten. Zudem betrachtet sie auch, welche Kosten durch Betriebsunterbrüche bei Bahn, Strassen und Versorgungsleitungen entstehen würden. Die Berechnung zur Rutschung Berg ist deshalb sehr komplex und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Sie wird frühestens im Sommer 2023 fertiggestellt. 

 

Dieser Text wurde im 38. Informationsbulletin der Gemeinde Albula/Alvra zum Brienzer Rutsch vom 13. Januar 2023 veröffentlicht. Christian Gartmann ist seit 2019 Informationsbeauftragter der Gemeinde Albula/Alvra für den Brienzer Rutsch und Mitglied des Gemeindeführungsstabes.