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Warum rutscht die Insel anders als der Rest der Rutschung?

Die «Insel» rutscht unabhängig vom Rest des Brienzer Rutsches. Nur so ist es zu erklären, dass sich der gesamte Brienzer Rutsch in den letzten Monaten merklich verlangsamte, die Insel sich aber markant beschleunigt hat. Die Geolog:innen halten es für wahrscheinlich, dass die Insel noch in diesem Jahr abstürzen oder abrutschen wird.

Am wahrscheinlichsten ist der Abbruch der Insel in zahlreichen Felsstürzen. Diese können mehrere hundert oder auch mehrere hunderttausend Kubikmeter umfassen. 2011 ging dieser Felssturz vom Rücken Caltgeras nieder. Das Material blieb in der Geröllhalde liegen. (Bild: Tiefbauamt Graubünden)

Der geologische Aufbau des Brienzer Rutsches: Die gesamte Grossrutschung bewegt sich auf einer fast durchgehenden Gleitschicht (violett). Hoch über Brienz/Brinzauls liegt die «Insel». Sie bewegt sich auf einer eigenen Gleitschicht (hellblau). (Grafik: BTG AG / gartmann.biz für Gemeinde Albula/Alvra)

Ein Schnitt durch das Gelände und die darunterliegenden Schichten zeigt, dass der gesamte Brienzer Rutsch sich auf einer fast durchgehenden Gleitschicht bewegt, die bis zu 150 Meter unter dem Gelände liegt. Der Wasserdruck unter dieser Schicht konnte durch den Bau des Sondierstollens gesenkt werden. Zudem ist durch das eher trockene Wetter 2022 weniger Wasser in die Rutschung gelangt.

Hoch über Brienz/Brinzauls bewegt sich auf dieser Grossrutschung auch die Insel mit. Als «Rutschung auf der Rutschung» bewegt sie sich zusätzlich auf einer eigenen, weniger tief liegenden Gleitschicht. Sie ist von der tieferliegenden Basisgleitschicht des Brienzer Rutsches unabhängig, liegt sehr weit oben in der Rutschung Berg und kann deshalb anders reagieren als der gesamte Brienzer Rutsch.


Entwicklung der Insel

Bis im vergangenen Spätherbst haben die Bewegungen nur im Bereich «Insel» markant zugenommen. Seit Anfang Jahr bewegt sich zunehmend auch die Basis der Insel. Die stützende Funktion der Basis für die darüberliegende Insel geht immer mehr verloren; es droht ein «Versagen» der Basis. Als Folge davon dürfte die Insel ganz oder teilweise abrutschen oder abstürzen. Für Brienz/Brizauls stellt das eine Gefahr dar.

Am wahrscheinlichsten ist das Abstürzen in mehreren oder vielen Felsstürzen aus einigen hundert bis einigen hunderttausend Kubikmetern Felsmaterial. Modellierungen zeigen, dass eine gute Chance besteht, dass solche Felsstürze das Dorf Brienz/Brinzauls lediglich am oberen Ende erreichen. Die Wahrscheinlichkeit für Felsstürze wird auf 60 Prozent geschätzt.

Halb so wahrscheinlich wie Felsstürze ist ein Abrutschen der Insel in einem Schuttstrom. Wie eine zähe Masse würde die Insel mit einem oder mehreren Metern pro Tag abrutschen. Abhängig davon, wie viel Material sich bewegt, kann ein Schuttstrom das Dorf oder auch die darunterliegenden Hänge erreichen und dabei grosse Schäden anrichten. Die Wahrscheinlichkeit für einen Schuttstrom liegt bei etwa 30 Prozent.

Der am wenigsten wahrscheinliche Prozess ist ein grosser Bergsturz. Er würde (abhängig von der Menge des Materials) das Dorf oder die Hänge darunter bis zur Albula erreichen. Die Schäden für das Dorf und die Umgebung wären sehr gravierend. Die Wahrscheinlichkeit für einen Bergsturz liegt bei circa 10 Prozent.


Voraussagen werden mit der Zeit präziser

Welcher der drei Prozesse stattfinden wird, kann bis zum letzten Moment nicht vorausgesagt werden. Hingegen können die Expert:innen aus den Messdaten der Überwachungssysteme herauslesen, wie viel Felsmasse abstürzen oder abgleiten wird. Diese Prognose wird immer genauer, je näher das Ereignis kommt.

Ebenfalls genauer wird die Voraussage über den Zeitpunkt des Ereignisses: Heute kann man erst annehmen, dass ein Abrutschen oder Abstürzen der Insel oder Teilen davon vermutlich zwischen dem Frühsommer und Ende dieses Jahres passieren wird. Je näher das Ereignis kommt, desto präziser wird eine Voraussage über den Zeitpunkt des Ereignisses.

Weil sich die Grösse und der Zeitpunkt des Ereignisses über die Zeit immer präziser abzeichnen, kann auch das Gebiet der Evakuierung an die sich abzeichnende Gefahr angepasst werden. 

 

 

Christian Gartmann ist seit 2019 Mitglied des Gemeindeführungsstabs Albula/Alvra und Beauftragter Kommunikation und Medien für den Brienzer Rutsch.