Ende Jahr gibt Jürg Schmid (55) seinen Posten als Direktor von Schweiz Tourismus ab. Er macht sich selbständig und wird Präsident von Graubünden Ferien. Im Vorfeld der 3. Fachkonferenz «Gesundheit & Tourismus» spricht er über das Marktpotential und die Chancen für den Schweiz und den Alpenraum im Gesundheitstourismus.
Seit einigen Jahren wird der Gesundheitstourismus als grosses Potential für den Alpenraum beschrieben. Stimmen Sie dem zu?
Absolut! Der Gesundheitstourismus in der Schweiz verfügt über ein grosses Potential, zumal er zwei Stärken und Kompetenzen der Schweiz miteinander verknüpft. Das Volumen des Gesundheitstourismus wird auf 450'000 bis 500'000 Gäste/Patienten pro Jahr geschätzt. Darin nicht enthalten sind Wellnessgäste, welche keine medizinische Behandlung beanspruchen.
Aus welchen Märkten sollen Gäste/Patienten in die Schweiz kommen?
Basierend auf persönlichen Gesprächen mit den grossen, international tätigen Kliniken ist das Marktpotential gross. Einige Kliniken fokussieren die Nahmärkte, Patienten mit internationalen Versicherungspolicen. Andere wiederum visieren die lukrativen Selbstzahler aus Märkten wie Russland oder den Golfstaaten an.
Die Schweiz hat sich in den verschiedensten Branchen als Nischenanbieter etabliert. Ist auch im Gesundheitstourismus eine Nischenstrategie angezeigt?
Die Schweiz kann per Definition nie eine Volumen- oder Breitenstrategie fahren. Die Schweiz steht für Qualität, Verlässlichkeit und Sicherheit. Das sind Werte, die gerade auch für die Spitzenmedizin gelten. Die Schweiz muss in diesen Feldern lukrative Nischen besetzen und bewirtschaften.
Dem Tourismus im Alpenraum geht es nicht gut – die Städte hingegen florieren. Wird das im Gesundheitstourismus auch so sein?
Die hochspezialisierten medizinischen Zentren befinden sich hauptsächlich in den urbanen Teilen der Schweiz. Es gibt aber durchaus Anwendungen, welche den Tourismus in der ländlichen und alpinen Schweiz stimulieren. Speziell das weite Feld der Vorsorge- und Präventionsbehandlungen ist prädestiniert für den Alpenraum mit seinem Erholungs- und Freizeitangebot.
Zu den Problemen des Schweizer Tourismus im weltweiten Vergleich gehören der starke Franken und die hohen Kosten. Haben wir im Gesundheitstourismus überhaupt eine Chance gegen das Ausland?
Für die eigene Gesundheit ist man bereit, Geld auszugeben und will sich die beste Qualität sichern. Die Preissensitivität ist geringer als in gewissen Gütern des Alltags. Zu meinen, der Gesundheitstourismus sei aber preislich nicht kompetitiv, wäre fatal, gar naiv. Die Schweiz muss sich, wie in allen Branchen, auch hier durch top Leistung und Qualität im Premium Segment positionieren.
Was tut Schweiz Tourismus für den Gesundheitstourismus in unserem Land?
Gesundheit und Tourismus gehören seit jeher zusammen. Waren es in den Pionierjahren die Höhenkliniken und die Heilbäder, die Gäste in die Schweiz strömen liessen, so gehört heute eine gute Wellnessinfrastruktur im Premium Beherbergungsangebot einfach dazu.
Die Grenzen zwischen Hotellerie und Klinik schwinden. Aktuell verfügen ca. 15-20 Hotels über eigene Abteilungen mit Gesundheits-Angeboten oder medizinischen Behandlungen, Tendenz stark wachsend. Privatkliniken verfügen über eigene Salesteams, die international Patienten akquirieren. National gibt es die Organisation SwissHealth, welche in Russland und den Golfstaaten ein Basismarketing betreibt. Schweiz Tourismus prüft aktuell, in welcher Form wir den medizinischen Tourismus umfassender fördern können.
Schweiz Tourismus vermarktet die Schweiz als Ferienland weltweit. Die Budgets sind knapp – in einigen Märkten muss die Tätigkeit zurückgefahren werden. Hat ST überhaupt die Kapazitäten, etwas für den Gesundheitstourismus zu tun?
Die Mittel sind endlich. Wir müssen Prioritäten setzen. Wir investieren dort, wo wir den Tourismus nachhaltig fördern können, neue Märkte und Segmente mit guten Erfolgsaussichten erschliessen können und der Return überzeugt. Der Gesundheitstourismus erfüllt viele dieser Kriterien. Solche Investitionen setzen aber immer auch eine hohe Kooperationsbereitschaft der Betroffenen voraus. Das prüfen wir.
Ab 2018 sind Sie Präsident von Graubünden Ferien. Was muss Graubünden unternehmen, um Patienten in die Hotels und Kliniken des Gebirgskantons zu bringen?
Ich hüte mich davor, im Vorherein Pauschalempfehlungen abzugeben. Eines scheint aber klar: die Ausgangslage für Graubünden stimmt. Die Kombination von Natur, Ruhe und medizinischen Kompetenzen überzeugt. Wie alle Regionen muss aber auch Graubünden das Angebot bündeln und sich in übergeordnete Kooperationsnetzwerke einbringen.
Jürg Schmid
Jürg Schmid (Jahrgang 1962, Betriebsökonom HWV) ist seit Ende 1999 Direktor von Schweiz Tourismus und vermarktet die Schweiz als Ferien-, Reise- und Kongressland. 228 Mitarbeitende in 27 verschiedenen Ländern promoten die Schweiz national und international. Zuvor war Schmid beim Software-Unternehmen Oracle, dem Computerkonzern Hewlett-Packard und der Bank Vontobel tätig. Jürg Schmid ist verheiratet und Vater von 3 Kindern.
3. Konferenz «Gesundheit & Tourismus» | 21. September 2017 in Pontresina
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