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Cost – Competence – Convenience – Confidence: Wie Nutzer von Social Media urteilen

Schonungslos bewerten Nutzer von Social Media heute Produkte und Dienstleistungen aller Art und schaffen damit eine neue Markttransparenz. Neben klar mess- und vergleichbaren Grössen spielen in ihren Beurteilungen auch weiche und menschliche Faktoren eine grosse Rolle. Letztere beiden sind besonders interessant, denn sie machen Unternehmen und Produkte unverwechselbar.

Bewertungen entscheiden über Erfolg: Hotellerie

Harte, weiche und menschliche Faktoren gemischt: Hotelbewertung (holidaycheck.com)

Universitätsklinik in der Bewertung von Patienten (yelp.com)

Mitarbeiter bewerten Arbeitgeber (kununu.com)

Social Media schaffen Markttransparenz. Auf diese einfache Formel kann man die Auswirkung sozialer Netzwerke auf Unternehmen aller Branchen verkürzen. Verkürzen heisst in diesem Fall aber nicht einfach trivialisieren, ist es doch genau diese Markttransparenz, die viele Unternehmen verunsichert. Markttransparenz geht alle Branchen an: Keine Unternehmung ist mittlerweile noch «sicher» vor den Bewertungen ihrer Kunden.

 

Sieht man sich Kritik und Lob etwas genauer an, erkennt man vier Gruppen von Eigenschaften, nach denen Produkte und Dienstleistungen bewertet werden. Über diese Gruppen lässt sich die Markttransparenz denn auch in vier Dimensionen beschreiben.

Die harte Dimension der Transparenz: Kosten

Zur ersten Gruppe zählen die «harten» Eigenschaften. Sie objektiv miteinander verglichen werden: Preis pro Menge, Energieverbrauch pro Zeiteinheit oder andere, klar definierte Qualitätskriterien. Diese messbaren Grössen lassen sich leicht in eine Rangfolge bringen; das beste und das schlechteste Angebot sind rasch zu identifizieren. Vergleiche harter Faktoren sind die ursprüngliche Domäne der Vergleichs-Portale; sie machen eine fast unendliche Fülle von Daten abrufbar und rangieren sie je nach den Anforderungen der Nutzer.

 

Eine Produktebeurteilung allein über harte Eigenschaften macht allerdings in den allerwenigsten Fällen Sinn: Nur generische oder standardisierte Produkte und Dienste lassen sich allein über harte Kriterien wie ihren Preis definieren. Alle anderen weisen auch weiche und menschliche Eigenschaften auf, über die sie sich von ihren Konkurrenten unterscheiden. Hier kommt das Erlebnis mit ins Spiel.

Fachwissen, Erfahrung und Zuständigkeit: Die Dimension der Kompetenz

Bei der Frage, ob man ein Produkt und seinen Anbieter wieder wählen oder gar weiterempfehlen würde zählen die Erfahrungen, welche man als Kunde macht, wesentlich mit. Antrainierte Freundlichkeiten und Floskeln nützen wenig, wenn man als Kunde nach fundierten Auskünften oder der Lösung für ein Problem sucht: Jetzt zählten Fachwissen und -fähigkeiten des Verkaufs- und Servicepersonals genauso wie die Erfahrung, welche ein Ansprechpartner mitbringt.

 

Fachwissen und Erfahrungen nützen einem Kunden aber nichts, wenn niemand für ihn zuständig ist. All zu oft werden Probleme von Kunden wie heisse Kartoffeln von einer Stelle zur nächsten weitergereicht und sind auch nach Wochen oder Monaten ungelöst. Zuständigkeit ist nicht primär eine Frage der Organisation, sondern der Kundenfokussierung jedes einzelnen Mitarbeiters – vom Sachbearbeiter oder Verkäufer bis zum CEO.

Die weiche Dimension der Transparenz: Convenience

Die Gruppe der weichen Faktoren beeinflusst den Kaufentscheid offensichtlich und oft sehr stark. Sie setzt sich aus Dingen zusammen, die man als «Convenience» (Annehmlichkeiten) bezeichnen könnte. Dienstleistung (vor und rund um die Transaktion), Erreichbarkeit (zeitlich und örtlich), After-Sales Services und Garantiebestimmungen gehören dazu, aber auch Verarbeitungsqualität, Dauerhaftigkeit oder die Erfüllung von vor dem Kauf gemachten Versprechungen.

 

Weiche Faktoren lassen sich zwar durchaus vergleichen und zuweilen auch rangieren. Sehr oft wirken aber mehrere dieser Faktoren bei verschiedenen Produkten unterschiedlich zusammen und verunmöglichen dann einen fairen Vergleich zwischen den Produkten.

Die menschliche Dimension der Transparenz: Vertrauen

Menschliche Aspekte lassen sich nicht rangieren; dennoch beeinflussen sie Kaufentscheide ebenfalls wesentlich. Werte wie Gastfreundschaft, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Kompetenz oder das Interesse am Kunden sind oft fast nur mehr gefühlsmässig zu beschreiben – genauso die Wahrnehmung der Unternehmung und deren Image durch den Kunden. Die menschlichen Faktoren entscheiden aber darüber, ob wir uns im Kontakt mit einem Anbieter wohl fühlen, ihm vertrauen und ihn wieder wählen oder weiterempfehlen würden.

 

Natürlich kann man weiche und menschliche Faktoren benoten. Die Sternchen neben einer Produktbewertung sagen aber nie gleich viel aus wie ein Bild, ein Text oder das, was dort zwischen den Zeilen steht. Zudem kann auch der Autor einer Bewertung relevant sein: Beim Auswählen eines Produktes tut man gut daran, Bewertungen von Kunden mit ähnlichen Bedürfnissen höher zu werten als andere.

Menschen machen Unternehmen unverwechselbar

Kritiker von Kundenbewertungen monieren, dass Kunden heute Dinge bewerten, von denen sie eigentlich gar nichts verstünden. Das mag zwar in den Augen eines Anbieters so sein. In den Augen eines Kunden stimmt das aber gerade nicht: Nur wer aus dem Blickwinkel des Kunden bewertet, kann für den potentiellen Kunden relevant sein. Und aus dem Blickwinkel der Kunden sind weiche und menschliche Faktoren oft sehr entscheidend.

 

Für Anbieter ist das zuweilen frustrierend: Je komplexer ein Produkt oder eine Dienstleistung, desto mehr entscheiden am Ende weiche und menschliche Faktoren über Erfolg oder Misserfolg. Sie machen das Unternehmen oder die Dienstleistung am Ende unverwechselbar – sie entscheiden über die Reputation, also den guten Ruf.

 

Soziale Netzwerke dienen Milliarden von Nutzern als effektive Plattformen zum Austausch ihrer Erfahrungen. Social Media und die mit ihnen entstandene Markttransparenz haben die Marktkräfte vielerorts von den Anbietern zu den Nachfragern verschoben. Wer in einem transparenten Markt überleben will, tut gut daran, sich (positiv) zu unterscheiden. Weiche und menschliche Faktoren sind der Schlüssel dazu.

 

Christian Gartmann, gartmann.biz