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«Eine Organisation wie diese gab es vermutlich noch nie.»

Um die Probleme des Brienzer Rutsches zu bewältigen, hat die Gemeinde Albula/Alvra zusammen mit dem Kanton Graubünden eine breit aufgestellte Organisation ins Leben gerufen. Die Fäden laufen beim Gemeindepräsidenten Daniel Albertin zusammen. Im Interview spricht er über Teamwork, unterschiedliche Prioritäten und Verantwortung.

Die Gemeinde und der Kanton haben zusammen eine Organisation aufgestellt, die sich mit dem Brienzer Rutsch befasst. Wer macht was und wer entscheidet?

Die Aufgaben sind sehr unterschiedlich. Die Führung liegt bei der Gemeinde, aber es ist ein sehr enges Teamwork. Ohne die Unterstützung durch den Kanton und den Bund könnte die Gemeinde die Situation nicht meistern.


Wie teilen sich die Aufgaben innerhalb der Gemeinde zwischen Verwaltung und Vorstand auf?

In der Mitte der gesamten Organisation steht der Gemeindeführungsstab. Darum herum arbeitet eine Reihe von Stäben, Kommissionen und Arbeitsgruppen. Gewählte Gemeindevertreter, Mitarbeitende der Gemeinde und Frei-willige, aber auch Experten des Kantons und externe Fachleute arbeiten eng zusammen. Von aussen kann man kaum wahrnehmen, wie viele zusätzliche Aufgaben wir in den letzten drei Jahren übernommen haben und welche Verantwortung das auch mit sich bringt. Eine Organisation wie diese gab es in Graubünden und der Schweiz vermutlich noch nie. Dabei arbeiten praktisch alle Beteiligten am Brienzer Rutsch zusätzlich zu ihren normalen Aufgaben. Das ist für alle eine grosse Herausforderung.


Kommt da die normale Arbeit nicht zu kurz?

Doch, das kommt leider vor - und das darf man auch offen sagen. Das Pensum der Gemeindeverwaltung und des Vorstandes sind ja auf den normalen Betrieb der Gemeinde ausgelegt. Wir alle priorisieren und versuchen, unseren Aufgaben gerecht zu werden. Der Brienzer Rutsch fordert uns alle und verlangt von vielen einen zusätzlichen Einsatz zugunsten der Gemeinde und nicht zuletzt zugunsten der Betroffenen. Ich bin stolz zu sagen, dass wir bei der Gemeinde eine sehr gute Mannschaft haben, die sich enorm einsetzt.


Ihre Aufgaben für den Brienzer Rutsch reichen von Naturgefahren bis Raumplanung, von Katastrophenschutz bis Finanzplanung. Wie schaffen Sie es, in allen Themen mitzuhalten?  

Viele von uns sind nun schon länger dabei und arbeiten sich in immer mehr Fachgebiete ein. Aber die Vielfalt ist tatsächlich so gross, dass wohl niemand in allen Themen total sattelfest sein kann. Es ist deshalb wichtig, dass der Kanton uns fachliche Unterstützung gibt und dass wir auch externe Fachleute hinzunehmen. So ist mit der Zeit ein Netzwerk entstanden, in dem wir jederzeit das nötige Wissen und sehr viel Erfahrung abrufen können.


Wie wichtig ist das Milizsystem, also die Mitarbeit Einheimischer in den verschiedenen Aufgaben?   

Das Milizsystem trägt sehr viel bei. Gerade bei der Beschaffung von Informationen ist viel Wissen in der Bevölkerung vorhanden. Jedoch zeigt das Milizsystem auch auf, dass ohne das Wissen vieler Fachspezialisten von Kanton und Privatwirtschaft eine derartige Herausforderung nicht zu bewältigen wäre.


Neben den lokalen Mitgliedern der Organisation sind vor allem die kantonalen Amtsstellen involviert. Wie unterscheiden sich die beiden?

Gemeinde und Kanton ergänzen sich: Hier das lokale Wissen aus Generationen und die tägliche Erfahrung, beim Kanton die Fachkenntnis-se aus der Wissenschaft und die Erfahrung mit Naturgefahren sowie die Unterstützung bei den vielen Verfahren. Der Kanton hilft uns nicht nur mit Geld, sondern auch mit Fachwissen und seiner Erfahrung.


Und was haben die kantonalen und die lokalen Mitglieder der Organisation gemeinsam? 

Für die Mitglieder der verschiedenen Organisationen auf lokaler und kantonaler Ebene ist der Brienzer Rutsch nicht nur ein «Job». Ich sehe jeden Tag, dass alle mit sehr viel Herzblut bei der Arbeit sind. Alle suchen nach Lösungen für die Bevölkerung der betroffenen Fraktionen. Im Zentrum stehen immer die Betroffenen. 


Als Gemeindepräsident stehen Sie der gesamten Organisation vor. Wie gehen Sie mit der Verantwortung um?

Von Amtes wegen stehe ich als Person der Organisation vor, aber ich fälle die Entscheide nicht im Alleingang. Ich kann mich jederzeit auf die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung, die Mitglieder des Vorstandes, der verschiedenen Kommissionen und Arbeitsgruppen, sowie der externen Spezialisten verlassen. Ich involviere sie, wenn Entscheide anstehen und sie unterstützen mich mit ihrem Fachwissen in allen Bereichen. 


Hand aufs Herz: Als kleine Gemeinde müssen Sie sich dem Kanton und dem Bund und ihren übergeordneten Interessen gegenüber-stellen. Sind Sie da nicht nur ein Bittsteller? 

Wir sind sehr dankbar für die grosse Unterstützung. Aber wir diskutieren und verhandeln auch: manchmal hart, aber immer auf Augen-höhe. Am Ende geht es immer um gangbare Lösungen, die auch langfristig tragbar sind. Der Kanton und der Bund respektieren, dass die Gemeinde schlussendlich die entscheidende Behörde ist und auch die Verantwortung trägt.


Die fusionierte Gemeinde besteht aus sieben Fraktionen. Wie sind die Reaktionen aus den anderen Fraktionen auf die grosse Aufmerksamkeit für Brienz/Brinzauls? 

Die Solidarität ist gross. Das sieht man an den klaren Entscheiden bei den Abstimmungen an den Gemeindeversammlungen, wenn es um die Kredite geht, die wir für die Massnahmen brauchen. 

Auch im direkten Gespräch spüre ich immer wieder sehr viel Verständnis und Unterstützung in der Bevölkerung. Wir würden das alles ja auch für jede andere Fraktion machen - und ich denke, die Leute wissen das. Ausserdem ist ja nicht nur Brienz/Brinzauls betroffen. Auch Teile von Vazerol, Surava, Tiefencastel und zahlreiche Verkehrswege gehören zum gefährdeten Gebiet. Der Brienzer Rutsch geht uns alle an.


Wie gut verkraftet Albula/Alvra die Ausgaben für den Brienzer Rutsch finanziell? Drohen Engpässe?

Im Moment wäre es zu früh, von finanziellen Engpässen zu sprechen. Es ist uns jedoch bewusst, dass wir die Herausforderung des Brienzer Rutsches in unserer Finanzplanung nie vergessen dürfen. Die Unterstützung durch Kanton, Bund und Dritte ist sehr gross, aber die Restkosten, die für die Gemeinde bei den verschiedenen Projekten anfallen, sind dennoch beträchtlich. 


Vier Fraktionen, der Kanton, die Gemeinde, die Finanzen und Hunderte von Betroffenen Bewohnern und Zweitheimischen: Da prallen ganz verschiedene Interessen aufeinander. Wie wägen Sie ab, was jeweils wichtig und richtig ist?

Im Zentrum stehen immer die Bewohnerinnen, Bewohner und Zweitheimischen in den betroffenen Fraktionen. Die Bedürfnisse sind teilweise verschieden und auch der zeitliche Horizont zur Bewältigung der Probleme wird nicht von allen gleich wahrgenommen. Durch eine regelmässige Information und den Austausch mit den Betroffenen zeigen wir immer wieder auf, was wünschbar und was machbar ist und in welcher Zeitspanne wir es angehen und umsetzen können.  

 

Zur Person: 

Daniel Albertin ist seit 2015 Gemeindepräsident der fusionierten Gemeinde Albula/Alvra. Der selbständige Landwirt ist 49 Jahre alt. Er wuchs in Mon auf und wohnt noch heute mit seiner Familie dort. 

 

 

Christian Gartmann ist der Beauftragte Kommunikation und Medien der Gemeinde Albula/Alvra zum Brienzer Rutsch.

Die Gemeinde Albula/Alvra informiert die Betroffenen und die Öffentlichkeit monatlich in einem Bulletin über die aktuelle Entwicklung, ihre Tätigkeit und Hintergründe zum Brienzer Rutsch. Dieses Interview wurde im Infobulletin vom 11. September 2020 zum Monat August publiziert.