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Eine Reklamation kann nicht schaden, sagt sich Klaus Schwab

Das Timing perfekt, die Worte treffsicher: Klaus Schwabs Kritik an der mangelnden Gastfreundschaft einiger Davoser machte just vor dem WEF die Art von Schlagzeilen, die kein Touristiker über seinen Ort lesen mag. «Wieso schadet er Davos?» ist die Frage, die man darauf hörte. «Tut er das?», ist meine Gegenfrage.

Bild: weforum.org

Wenn Klaus Schwab zehn Tage vor dem WEF ein Interview gibt, ist ihm die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit garantiert. Seit Jahrzehnten Gastgeber von Weltpolitik und -wirtschaft kennt er die Finessen der Medienarbeit und die Wirkung einer gezielten Provokation.


Dass er und seine Frau Hilde in Davos angeschnauzt wurden, weil er ihr im Halteverbot aus dem Wagen half, will niemand schönreden. Aber es ist bestimmt nicht die Regel. Von einer – eilig herbeigeschriebenen – feindlichen Stimmung der Einheimischen gegen das WEF oder gar gegen alle Touristen kann keine Rede sein. Nicht in Davos und auch nicht in anderen Schweizer Ferienorten.


Schwab steht mit seinem Erlebnis dennoch nicht ganz allein: Es ist noch kein halbes Jahr her, dass die US-Fernsehikone Oprah Winfrey mit ihrem «Täschligate» durch die Medien der Welt rauschte: eine offenbar mangelhafte Bedienung in einer Zürcher Boutique nahm die farbige Moderatorin gleich zum Anlass, über Rassismus in der Schweiz zu klagen. So weit ging Klaus Schwab freilich nicht – Davos und die Schweiz liegen ihm am Herzen.


Wohl deshalb hat er den Finger auf einen wunden Punkt gelegt: Schon ein einzelnes negatives Erlebnis kann den Gesamteindruck eines Ortes bei einem Gast ins Negative kippen lassen. Und genau dieser Gesamteindruck entscheidet darüber, ob ein Gast wiederkommt oder uns weiterempfiehlt. Genau deshalb erinnern Hoteliers und andere Gastgeber auch ihre besten Mitarbeitenden immer wieder einmal an die «Basics» der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Klaus Schwab tat nichts anderes.

«100 Prozent Freundlichkeit sind eine Illusion.»

Auch weniger bekannte Gäste erleben mitunter Negatives. Während die einen es einfach schlucken, reklamieren andere sofort. Der weitaus grösste Teil aber schreibt heute in sozialen Netzwerken: Social Media und insbesondere die Bewertungsportale der Reisebranche sind Klagemauern und Fan-Altare zugleich.


Für die betroffenen Betriebe sind Reklamationen – zumal sie in Social Media öffentlich sind – zuerst einmal ärgerlich. Gut geführte Unternehmen haben aber längst gemerkt, dass Bewertungen (auch die Negativen) etwas Gutes haben: Sie zeigen ungeschminkt, was Kunden denken. Professionell ausgewertet können sie helfen, Angebot und Service zu verbessern.


Nicht alle Branchen tun sich damit leicht: Reklamationen fallen immer noch zu oft unter den Tisch, denn Reklamierer nerven halt auch. Wer seine Kunden aber nicht ernst nimmt, hat schon sehr bald ein Problem mit seiner Reputation. Und wer einen schlechten Ruf hat, wird vom Markt gnadenlos abgestraft.


Zurück zur «Freundlichkeitsdebatte»: Gastfreundschaft ist nicht allein die Verpflichtung von Hoteliers und Wirten. Sie geht von jedem und jeder aus, die in Kontakt mit Gästen kommt. Einzelne schwarze Schafe wird es immer geben. Ihnen können gute Vorbilder auf die Sprünge helfen: Hoteliers, Wirte, Skischulleiter oder Bahnhofsvorsteher in Ferienorten haben genauso eine Vorbildrolle für ihre Mitarbeitenden wie Unternehmer, Geschäftsführer oder Verkaufsleiter an anderen Orten unseres Kantons.


100 Prozent Freundlichkeit sind dennoch eine Illusion – in Davos und auch anderswo. Die Gäste des gerade zu Ende gegangenen WEF dürften trotzdem mehrheitlich zufrieden nach Hause gereist sein. Der alljährliche kleine Weckruf des Klaus Schwab hat wohl zusätzlich gewirkt. Es bleibt zu hoffen, dass er im Tourismus wie in anderen Branchen auch etwas nach-wirkt. Geschadet hat er Davos wohl nicht: Die Gäste des WEF sind wieder verschwunden und mit ihnen die aufgeblasenen Schlagzeilen um die Freundlichkeitsfrage. Bis zum WEF 2015.

 

 

Dieser Text erschien im Bündner Tagblatt vom 28. Januar 2014.