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Wo die SRG ihren Fuss hinsetzt...

Im Mai hat der Bundesrat der SRG erlaubt, «wichtige politische, wirtschaftliche, sportliche und kulturelle Ereignisse» auch im Internet zu übertragen. Die SRG aber weiss scheinbar noch nicht so recht, was sie mit den wunderbaren, neuen Möglichkeiten anfangen soll.

Freie Bahn, aber kein Videokonzept? Die SRG im Internet (Bild: srf.ch)

Das Thema ist ein heisses Eisen: Online als Verbreitungskanal ist nun auch in Bundesbern als Alternative zum herkömmlichen Broadcasting akzeptiert. Eine Einladung, im November am sport.forum.schweiz 2013 über neue Übertragungsmöglichkeiten für den Schweizer Sport zu diskutieren, lehnte der zuständige Programmreferent des SRF aber freundlich ab. Es laufe eine mehrmonatige Testphase und erst danach würde etwas entschieden, teilte er mit.


Dass die SRG sich viel Zeit lässt, erstaunt nur auf den ersten Blick: Jahrzehntelang hatte sie zahllose Veranstalter, Verbände und Ligen mit der Begründung vertröstet, man habe keine Programmplätze, um all das zu zeigen, was dem «Service Public»-Anbieter so angetragen werde. Mit der Öffnung der Übertragungsmöglichkeiten ist diese Begründung nun hinfällig geworden und es droht eine Lawine an immer lauter werdenden Anfragen und Forderungen für die jetzt – zumindest theoretisch – unlimitiert verfügbaren Programmplätze.

Wozu auf die SRG warten?

Nicht auf die SRG warten mochten grössere Fussball- und Eishockeyclubs: Ein FC Basel oder ein SC Bern zum Beispiel haben Online-Bewegtbild längst entdeckt. «Stadion TV» und «Rotblau total» heissen die Beiträge aus dem Joggeli, wo man schon 2008 mit Videobeiträgen begonnen hatte. «SCB-TV» nennt sich ein neueres Videoangebot des Eishockey-Schweizermeisters: Die Video-Beiträge bringen Interviews, Hintergrund und Randnotizen.


Schweizer Sportübertragungen sucht man online indes vergebens: Nebst den fehlenden Rechten (sie werden von den Ligen meist dem Goldesel SRG verkauft) sind vor allem die Produktionskosten eine hohe Hürde: Fernsehen ist halt nicht nur sexy, sondern vor allem auch teuer. Wer viel Geld einsetzt, braucht auch einen Return on Investment, also viele Zuschauer, die sich mit Werbeeinnahmen vergolden lassen. Und die gibt es nur in einem reichweitenstarken Kanal.


Sucht man auf Google nach Videomaterial zu «Schweizer Sport», findet man heute auf den ersten drei Plätzen das Schweizer Sportfernsehen SSF, einen Fussballbeitrag der SRG und den Kanal von sport.ch auf YouTube. Diese Momentaufnahme ist zwar zufällig, aber symptomatisch:

  • SRF ist bei der schieren Reichweite seines Portals für einen Google-Spitzenplatz so gut wie gesetzt. Man spielt in einer Liga mit den Schwergewichten 20min.ch und blick.ch, hat aber unvergleichlich viel mehr Videoinhalte zu bieten.
  • Sport.ch hat eine gute Marke und erreicht mittlerweile ansprechende Nutzerzahlen. Verglichen mit srf.ch ist es aber noch ein Zwerg: Es generiert gerade einmal einen Neuntel an Unique Clients.
  • Auf Platz eins der Google-Trefferliste erscheint das SSF. Das ist zwar schön, aber die Nischenpolitik des Senders greift nicht: B-Ligen und Randsportarten ziehen bei den Zuschauern letztlich zu wenig und das ganz breite Publikum weiss wohl schlicht nicht, dass es das SSF überhaupt gibt. Die Marke SSF ist zu schwach und mit einer Verbreitung auf dem Kanalplatz 30 im Kabelnetz gibt es kaum mehr als den berühmten Blumentopf zu gewinnen.

Verbreitung ist mehr als eine technische Angelegenheit

Wer viele Zuschauer will, braucht Bekanntheit, also eine starke Marke und Relevanz bei den wichtigsten Suchmaschinen. Kein Wunder also, warten der Schweizer Sport, die Schweizer Kultur und viele Schweizer Veranstalter ungeduldig auf die neuen Möglichkeiten für Live- und On-Demand-Übertragungen über die Online-Kanäle der SRG.


Die lässt sich – wen wundert’s – noch nicht in die Karten blicken. Die Internetverbreitung ist für den staatlichen Sender ein strategisches Asset, dessen Einsatz mit Bedacht geplant sein will. Denn was im Fernsehen gilt, soll dereinst auch im Internet gelten: Wo die SRG einmal ihren Fuss hingesetzt hat, wächst für andere Anbieter kein Gras mehr. 

 

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift «Persönlich» vom November 2013