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Sturm im Wasserglas oder PR in eigener Sache?

In einer ungewöhnlich heftigen Rüge geisselt der deutsche Rat für Public Relations (DRPR) eine von der Agentur Jung von Matt (JvM) für den Kunden Mercedes Benz realisierte und mit einem goldenen Löwen in Cannes ausgezeichnete Aktion aus dem Jahr 2010. Der DRPR rügt in scharfen Worten mangelnde Transparenz und verlangt gar, der goldene Löwe müsse JvM aberkannt werden.

Blogger Stefan Gburek (Bild: blog.mercedes-benz-passion.com)

Tramp a Benz (Bild: blog.mercedes-benz-passion.com)

Das trojanische Pferd schon im Logo: Agentur Jung von Matt

Für ihren Kunden Mercedes liess ich die Agentur Jung von Matt einen besonderen Trojaner einfallen: Ein bezahlter Blogger gab vor, in einer Art Performance-Projekt als Anhalter in den Süden zu fahren und berichtete darüber eifrig über verschiedene Social Media Kanäle. Das Besondere daran: Der Blogger wollte nur Mercedes fahren.

 

Die scheinbar harmlose Image-Aktion war effektvoll umgesetzt und gewann an der Werbe-Weltmeisterschaft in Cannes 2011 einen goldenen Löwen. Dass nicht von Anfang an klar war wer hinter der Aktion steckt, war natürlich Teil des Konzepts, erregt nun aber die Gemüter in ungeahnter Weise. Der DRPR moniert, das Engagement von Mercedes, respektive der Agentur JvM, hätte transparent gemacht werden müssen und fordert, der Cannes Lion müsse JvM wieder aberkannt werden.

Das trojanische Pferd

Dass sich die PR-Branche um Transparenz bemüht ist sicher löblich, und gerade in Social Media, welchen die fragliche Aktion naturgemäss bediente, ist Transparenz oberstes Gebot. Gewisse Arten von Teaserkampagnen oder PR-Aktionen können aber halt nur funktionieren, wenn das Publikum – zumindest zeit- oder teilweise – in die Irre geführt wird. Ist eine Aktion dann erfolgreich, wird nachgeforscht. Irgendwann kommt ans Tageslicht wer hinter der Aktion steckt und das Versteckspiel ist zu Ende. Auch dieser Part gehört zur Aktion und macht einen Teil ihres Erfolgs aus.

 

Getreu ihrem Agentur-Logo baute JvM für Mercedes also ein trojanisches Pferd. Kunde und Agentur gingen mit der Aktion bewusst ein Reputationsrisiko ein. Die Gefahr, dass die ganze Sache „nach hinten“ losgeht und der Marke Mercedes schadet, war und ist gegeben. Zu sensibel sind Nutzer von Social Media zuweilen, wenn es um gekaufte Meinungen, Blogposts, Bewertungen oder Urteile geht.

 

So weit, so gut. Laut dem DRPR sollen der Blogger und JvM auf Anfrage eines Fachjournalisten, der Licht hinter die Aktion bringen wollte, aber zunächst abgestritten haben, dass JvM oder Mercedes hinter der Aktion stehen. Das ist der unschöne – ja unprofessionelle – Teil der Geschichte. Die Protagonisten haben sich selbst und der Aktion damit unnötig geschadet.

 

Moderne Konsumenten sind aber mündige Konsumenten. Sie sind reif genug, sich eine eigene Meinung über das Verhalten von Unternehmen und Privatpersonen zu bilden. Das einzig relevante Urteil zur Image-Aktion fällen am Ende denn auch sie. Sie wurden mit der Aktion angesprochen und verschaukelt. Sie mögen das unterhaltsam finden, oder eben halt nicht. Genau hier liegt das Risiko und vielleicht auch der Reiz der Aktion.  

PR des DRPR in eigener Sache?

Dass die Aktion des Bloggers „gekauft“ war, wurde – freiwillig oder unfreiwillig – transparent gemacht. Die Marke Mercedes hat vielleicht, der Name Stefan Gbureck sehr wahrscheinlich darunter gelitten. Wenn der DRPR nun verlangt, JvM und Mercedes den Cannes Lion abzuerkennen, schiesst er nicht nur weit über das Ziel hinaus, er hat sich auch ins falsche Beispiel verbissen. Schliesslich wurden mit der Aktion weder unmündige Kinder verführt noch sonst jemand geschädigt.

 

Ob das Expertengremium der deutschen PR-Branche sich und seinen Mitgliedern mit dem Urteil einen Dienst oder aber einen Bärendienst erwies, bleibt also zumindest offen. Die Auswahl des Objektes hätte unglücklicher nicht sein können. Wenn es allerdings das Ziel des Rates war, mit einem Verfahren gegen eine Top-Agentur seine eigene Bekanntheit zu steigern, dann wurde das sicher erreicht. Darüber hinaus war das Ganze wohl ein Sturm im Wasserglas und schlechte PR für die PR-Branche.

 

Kommentar: Christian Gartmann

 

Link: Die umstrittene Aktion „Tramp a Benz“ 

Link: Beschluss des DRPR zur Aktion 

Link: Artikel in meedia.de 

Link: Die andere Meinung: Kommentar in meedia.de