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Die Abwehrstrategie ist eine Abwärtsstrategie

Der Urinstinkt der Protektionismus ist schwer zu beheben: In schwierigen Zeiten hat der Mensch oft die Tendenz, sich zu verschliessen und Barrikaden zu errichten, schreibt Alessandro Della Vedova*

Alessandro Della Vedova ist Podestà von Poschiavo, Grossrat und Vizepräsident der CVP Graubünden

Wenn die Wirtschaft einmal nicht mehr rund läuft, werden sofort Massnahmen diskutiert, die an Protektionismus erinnern. Auch im Puschlav heisst es immer wieder, man müsse den Binnenmarkt besser schützen: «Zuerst muss man unsere Mitbürger anstellen und dann die Fremdarbeiter», oder: «Die lokale Bevölkerung sollte vor Ort einkaufen und die einheimischen Produkte bevorzugen».


Diese Abwehrhaltung gegenüber Grenzgängern und Anbietern von ausserhalb ist nur auf den allerersten Blick verständlich und legitim: Denn die Puschlaver und die Bündner Wirtschaft sind in vielen Bereichen auf sie angewiesen. Das lokale Gewerbe würde liebend gern Schweizerinnen und Schweizer anstellen – findet aber für gewisse Arbeiten schlicht keine Einheimischen.


Andere Betriebe sind nicht mehr bereit, Lehrlinge auszubilden, so dass die lokalen Arbeitskräfte immer seltener werden. Und zweifellos gibt es auch Fälle, wo einheimische Produkte punkto Preis und Qualität mit Importware schlicht nicht mithalten können.


Protektionistische Massnahmen können der heimischen Wirtschaft vielleicht kurzfristig eine Begünstigung bringen. Mittel- und langfristig wirken sie aber stark benachteiligend, wie die Geschichte uns lehrt. Der Protektionismus macht die Anbieter tendenziell faul. Anreize, Produkte oder Dienstleistungen zu verbessern, fehlen – Kartelle entstehen und halten die Preise zusätzlich hoch.


Früher oder später bekommt die inländische Wirtschaft die Rechnung dann gleich zweifach präsentiert: Denn die Kosten des Protektionismus zahlen nicht etwa die ausländischen Konkurrenten, sondern die Abnehmer im Inland. Sie suchen sich neue Beschaffungskanäle und weichen nicht selten dauerhaft auf diese aus. Schlimmer noch: Die Anbieter, welche man mit den Massnahmen schützen wollte, verlieren den Anschluss an den freien Markt total und stehen früher oder später mit obsoleten Produkten und Dienstleitungen da.

«Protektionismus macht tendenziell faul.»

Was für die Schweiz gilt, gilt auch für Graubünden und das Valposchiavo: Investitionen in die Aus- und Weiterbildung sowie in lokale Ressourcen sind allemal besser als Abschottung. Das Valposchiavo versucht genau das: Ein Kompetenzzentrum für Holz, ausgestattet mit der modernsten Ausrüstung und Technologie, befindet sich im Aufbau und sollte im Herbst seine Tore öffnen.


Volkswirtschaftliche Grundlagen, Betriebsführung, Marketing, Planungs- und Bearbeitungsprozesse, Kostenmanagement: Im neuen Zentrum werden der Wissenstransfer über Management und die Anwendung der neuesten Bearbeitungs- und Produktionstechnologien gezielt gefördert. Alles Kompetenzen, die kleinen, mittleren oder grösseren Unternehmen helfen, hochqualitative Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen herzustellen.


Dass das keine Utopie ist, zeigt das Beispiel IKEA: seit einigen Zeit ist die für ihre günstigen Möbel bekannte Weltmarke dabei, ihre Produktion von China nach Norditalien zu verschieben, weil mit den neuen Technologien die höheren Lohnkosten Europas keine wesentliche Benachteiligung mehr darstellen. Der Vorteil der besser ausgebildeten Fachkräfte überwiegt. Da das Puschlaver Holzkompetenzzentrum auch Fachleute aus dem nahen Norditalien ausbilden möchte (im Puschlav allein gäbe es die kritische Masse an Studenten für ein solches Zentrum gar nicht), könnten schon bald Schreiner aus Poschiavo für den Weltmarkt produzieren.


Fazit: Die Abwehrstrategie ist eine Abwärtsstrategie. Gut ausgerüstete KMU in unseren Bergregionen sind aber in der Lage, auch eine Angriffsstrategie zu spielen. Mit gut ausgebildeten Leuten und der Unterstützung der Banken können sie durchaus unsere lokalen Produkte exportieren. Etwas, was im Übrigen in den meisten Kantonen der Schweiz seit jeher mit Erfolg passiert.

 


*Alessandro Della Vedova ist Vizepräsident der CVP Graubünden, Grossrat Kreis Poschiavo und Podestà  der Gemeinde Poschiavo.


Dieser Text erschien im Bündner Tagblatt vom 31.1.2014