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Ein rosa Hase als Bündner Wappentier

Erinnern Sie sich? Eine Gruppe rosa Plüschhasen mit kleinen Trommeln vor den rosa Bäuchen marschiert und trommelt. Nach und nach geht den Hasen der Batteriestrom aus. Nur einer trommelt länger: Es ist der Duracell-Hase. Weltweit ist er zum Sinnbild für Ausdauer und Energie geworden.

Seit den Siebzigerjahren weltbekanntes Symbol für Ausdauer: Der Duracell-Hase (Bildquelle: duracell.de)

Von Alessandro della Vedova*

 

Das Bündner Wappentier ist zwar kein rosa Hase, aber nicht wenige Bündner sehen in unserem Steinbock ein Tier mit unendlicher Energie. Die Wasserkraft unserer Flüsse und Seen produziert in der Summe rund drei Mal mehr Energie, als wir selbst verbrauchen. Und mehr noch: Dank neuer Pumpspeicherwerke könnten wir zur Batterie der Schweiz – ja sogar zur Batterie Europas werden.


Bloss: Ohne Strom aus Atom, Kohle, Öl oder Gas funktionieren auch die Bündner Pumpspeicherkraftwerke nicht. Windenergie von den Meeresufern ist (noch) keine Lösung, und Windfarmen und Solarkraftwerke in der Schweiz werden den Ausstieg aus der Atomenergie schon aus Gründen des Landschaftsschutzes nicht retten.


Man kann mit dem Verdikt des Bündner Volkes zur Kohlekraftwerkfrage glücklich sein oder nicht: Der lange Abstimmungskampf und die vielen Diskussionen haben der Bevölkerung klar gemacht, dass auch die Energiewende eine Kehrseite hat – und die ist fossil.

Irgendwann geht jedem Hasen der Strom aus.

Wenn wir ernsthaft aus der Atomenergie aussteigen wollen, müssen wir deshalb aber auch auf Verbraucherseite umdenken. Denn auch dem stärksten Batteriehasen geht irgendwann der Strom aus, wenn er nicht haushälterisch damit umgeht. Es gibt heute schon eine Vielzahl an Geräten und Anlagen, die weniger Energie verbrauchen. Oft sind sie aber teurer als die alten Stromfresser. Neben dem Staat und der Industrie müssen sich auch Gemeinden und Private darüber klar werden, dass uns die Energiewende kurzfristig Geld kostet.


Poschiavo hat diese Erfahrung bereits gemacht: Ein vor zwei Jahren beschlossenes Gesetz zur Förderung der Energie-Effizienz ist zum Papiertiger verkommen. Das Gemeindebudget weist ein Defizit aus, die Ausgaben wurden anders verteilt. Die Umsetzung des Gesetzes musste verschoben werden, ansonsten hätte die Gemeinde Dienstleistungen abbauen müssen, die für die Bevölkerung aus sozialer Sicht schmerzhaft gewesen wären. Das Beispiel ist leider emblematisch: Wenn der gute Wille auf die harte Realität prallt, werden die Prioritäten plötzlich ganz anders gesetzt.

Den Dreck nicht unter den Teppich kehren.

Strom sparen allein kann die Energiewende nicht stemmen: die Katastrophe von Fukushima hat uns zwar die Gefahren der Atomtechnologie auf sehr schmerzhafte Weise in Erinnerung gerufen, die kontroversen Diskussionen über die Energiewende haben aber auch klar gemacht, dass wir den Atomstrom zuerst ersetzen müssen, bevor wir Kernkraftwerke stilllegen können.


Dennoch tut sich der Energiekanton Graubünden schwer mit der Umsetzung der Energiewende. Sich gegen vermeintlich schmutzige Energiegewinnung im Ausland zu stemmen mag zwar ein hehres Vorhaben sein, aber die «Batterie Graubünden» mit ihren Pumpspeicherseen funktioniert nun einmal nicht ohne Strom von aussen; auch nicht das von allen Seiten gelobte Projekt für den Lago Bianco.


Die Verschiebung von Umweltbelastungen über Landesgrenzen kann genauso wenig eine Lösung sein, wie das Verschliessen der Augen vor der Realität. Als Alternative zum Atomstrom müssen wir – zumindest vorübergehend – fossile Brennstoffe akzeptieren. Die fossile Seite unserer Energiewende zu ignorieren hiesse, den Dreck aus unserem Energiekonsum einfach unter nur den Teppich zu kehren. Damit ist das Problem aber auch nicht gelöst.

 

 

*Alessandro della Vedova (43) ist Podestà der Gemeinde Poschiavo, CVP Grossrat und Vizepräsident der CVP Graubünden.


Dieser Gastkommentar erschien in der Engadiner Post / Posta Ladina vom 1. Oktober 2013.