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Es lebe der Dorfbrunnen!

Unternehmen der Zukunft messen sich nicht nur an kurzfristigen Marktanteilen oder Umsatzspitzen: Wer langfristig Erfolg haben will, betrachtet seine Leistung selbstkritisch und arbeitet laufend an Verbesserungen. Kundenmeinungen aus dem Internet sind ein wichtiger Rohstoff dazu.

Informationsquelle, Kundenbewertungen und Buchungsplattform: Website und Tripadvisor-Seite des Hotel Waldhaus Sils.

«Waschweib» ist noch heute ein – wenig schmeichelhaftes – Attribut für jemanden, der sich mit seiner Meinung nicht zurückhält. Früher standen die Waschweiber um den Dorfbrunnen und wuschen die Wäsche. Dabei wurde der Dorftratsch ausführlich behandelt; neben neuesten Berichten, und natürlich Gerüchten, hatten auch persönliche Meinungen Platz. Das «männliche Pendant» zum Brunnen war wohl der Stammtisch: er existiert heute noch als Ort, wo viel Politik, aber auch Geschäfte gemacht werden.


Die Waschbrunnen sind verschwunden – die Dorfbrunnen der Neuzeit finden sich im Internet. Soziale Netzwerke (Social Media) sind speziell dafür entstanden, Meinungen, Erfahrungen, aber auch Klatsch und Tratsch auszutauschen. Statt mündlich nun virtuell – in Texten, und immer mehr auch in Fotos und Videos. Facebook als grösste Social Media-Plattform hat allein in der Schweiz über 3,3 Millionen aktive Nutzer.

Konsumentenmeinungen als Herausforderung für Unternehmen

Wer in Social Media ausgewogene Berichterstattung sucht, wird enttäuscht: Diese Plattformen leben per Definition von persönlichen Meinungen und Kommentaren. Kein Wunder, dass viele Manager einen Heidenrespekt vor Social Media und ihren Nutzern haben. Sie sehen vor allem die Gefahr der Rufschädigung durch unzufriedene Kunden oder gar Konkurrenten. Betrachtet man Bewertungen und Meinungen zu Produkten und Dienstleistungen im Internet aber etwas genauer, entdeckt man sehr viel Lobendes und Positives.


Die Stimmung gegenüber Social Media dreht denn auch: Immer mehr Unternehmen nutzen Lob und Kritik im Internet als wertvolles Know-how aus Kundensicht, das es sehr ernst zu nehmen gilt. Vorreiter sind Hotels und Restaurants; Plattformen wie Tripadvisor oder Holiday-Check leben seit Jahren davon, dass Reisende und Feriengäste Hotels – und immer mehr auch Restaurants und Dienstleistungen rund um Reisen und Ferien – bewerten und kommentieren. Gleichzeitig kann man über diese Plattformen auch Flüge, Hotels, Mietwagen und andere Dinge buchen.

Mitarbeitende bewerten ihre Arbeitgeber

Aber nicht nur Hotels erscheinen in Bewertungsplattformen: Mittlerweile gibt es kaum mehr eine Branche, für die es nicht eine Plattformen und entsprechende Ranglisten gäbe. Oft werden Unternehmen überrascht, wo ihre Leistungen bereits überall bewertet werden. Und es urteilen längst nicht mehr nur Kunden, sondern beispielsweise auch Mitarbeitende. «Angehende Ärztinnen und Ärzte informieren sich im Internet über uns, bevor sie sich bewerben», sagt Manuela Gadient, Leiterin Personaladministration der St. Moritzer Klinik Gut. «Die Beurteilungen anderer Nachwuchs-Ärzte liefern ihnen wichtige Hinweise über unser Unternehmen und die Besonderheiten einer Klinik in einer Ferienregion. Schon vor dem ersten Gespräch wissen sie, dass sie bei uns nicht der gleiche Klinik-Alltag erwartet wie etwa in einer deutschen Grossstadt.»


Social Media sind längst nicht mehr nur für Hotels ein Thema: Unternehmen – egal welcher Branche oder Grösse – können es sich heute nicht mehr leisten, auf die Meinungen ihrer Kundschaft zu pfeifen. Social Media spielen diese Meinungen sehr direkt – aber auch für jedermann sichtbar – ans Unternehmen zurück. Unternehmen müssen deshalb lernen, mit öffentlicher Kritik umzugehen; auch ausserhalb des Internets.

Auf Augenhöhe mit den Kunden

Der Umgang mit Kundenbewertungen ist Chefsache – so auch im Hotel Waldhaus Sils: «Es ist entscheidend, dass unsere Gäste sehen, dass Kritik nicht nur ernst genommen und beantwortet, sondern auch zur Verbesserung unserer Leistungen genutzt wird», erklärt Hotelier Claudio Dietrich. «Bewertungen von Gästen werden einzeln nachrecherchiert und mit den betreffenden Mitarbeitenden besprochen. Sie geben uns wertvolle Hinweise, die wir zur Kontrolle und Steigerung unserer Qualität einsetzen.»


Was gut geführte Hotels schon lange wissen, erkennen immer mehr auch Unternehmen in anderen Branchen: Kundenbewertungen sind nicht einfach ein Ärgernis, das man möglichst rasch abhakt. Denn wer, wenn nicht die Kundschaft, weiss, was die Kundinnen und Kunden selbst wollen? Wer seinen Kritikern auf Augenhöhe entgegentritt wird von ihnen viel erfahren; wie man sie verärgert oder eben auch erfreut und langfristig an die Unternehmung bindet. Es lebe der Dorfbrunnen!