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Hochbetrieb für fliegende Sprengmeister

Dörfer, Verkehrswege und Schneesportgebiete in den Alpen sind latent von Lawinen bedroht. Die intensiven Schneefälle im Januar zeigten eindrücklich, welche wichtige Rolle Helikopter bei der Sicherung von Lebensräumen im Berggebiet spielen. Ein Einsatzbericht.

H125 Ecureuil der Swiss Helicopter AG Bild: Swiss Helicopter AG

Die Sprengladung wird elektrisch gezündet und dann in den Lawinenhang unter dem Helikopter fallen gelassen. Nach 90 Sekunden detoniert sie. Bild: Martin Candinas

Nachladen aus der Luft: Sprengmasten müssen regelmässig neu bestückt werden. Bild: wyssen.com

«90 Sekunden», ruft Otti Flepp ins Intercom der an Ort schwebenden Ecureuil. Eben hatte er sich aus der offenen Schiebetür des Helikopters gelehnt und eine Fünfkilo-Stange des Gelatine-Sprengstoffes Tovex in den schneeverwehten Hang unter ihm fallen gelassen. «Nach der Zündung dauert es eineinhalb Minuten bis zur Detonation.» Flepp ist Bergführer und Sicherheitsbeauftragter der Pro Lucmagn; einem Verein, der die wintersichere Verkehrsverbindung über den Lukmanierpass sicherstellt.

«Früher schossen wir auch mit Mörsern, aber das war viel zu ungenau» erinnert sich Flepp, nachdem er weitere fünf Ladungen präzise im Hang über der Lukmanierstrasse platziert hat. Aus sicherer Distanz beobachtet er zusammen Pilot Adrian Roffler und Flughelfer Daniel Caminada nun, ob alle Ladungen detonieren und wie die ausgelösten Lawinen abgehen. «Ohne Helikopter könnten wir die Strasse im Winter wohl nicht mehr offenhalten.»

Kaum ist die letzte der sechs Ladungen detoniert, bringt Pilot Roffler die rot-weisse H125 Ecureuil über einem neuen Hang in Stellung; Otti Flepp lehnt sich erneut aus der offenen Tür und platziert wieder Sprengladung um Sprengladung. Das Team ist eingespielt, nur wenige Worte sind nötig. «Die lokalen Crews kennen die Täler wie ihre Westentaschen,» sagt Flepp auf dem kurzen Rückflug. Auf der Nordseite des Passes arbeitet die Pro Lucmagn mit Swiss Helicopter, im Süden fliegen die Crews der Tessiner Heli Rezia. Nach 20 Minuten ist die Mission vorbei, Flepp lässt sich vom Heli absetzen und beobachtet, wie er wieder zur Basis nach Tavanasa zurückfliegt.



Viele Bergtäler könnten ohne Helikopter nicht ganzjährig bewohnt werden.

«Bei der Sicherung von Verkehrswegen und Skigebieten ist der Helikopter eine sehr günstige und flexible Möglichkeit, Lawinen gezielt auszulösen», bestätigt auch Christian Wilhelm, verantwortlich für den Schutz vor Naturgefahren beim Bündner Amt für Wald und Naturgefahren. «Der Helikopter ist nach wie vor unabdingbar beim künstlichen Lawinenauslösen, da man räumlich sehr flexibel ist.»

«Viele Bergtäler könnten ohne Helikoptereinsätze gar nicht ganzjährig bewohnt werden», sagt auch Patrick Fauchère, Basisleiter von Air Glaciers in Sion und Vorstand der Swiss Helicopter Association. Nicht nur Ortschaften, Strassen und Eisenbahnlinien würden mit Sprengungen vor Lawinenunglücken geschützt. «Ein grosser Teil unserer Spreng-Einsätze dient mittlerweile der Pistensicherung.

Die Walliser und ihre Feriengäste sind auf sichere Verbindungen und Pisten angewiesen. Hier spielen Helikopter und mit der Gegend vertraute, lokale Crews eine sehr wichtige Rolle.» Sage und schreibe 10 Tonnen Sprengstoff habe allein die Basis Sion im Dezember und Januar zum Einsatz gebracht; das sei markant mehr als in den beiden Vorjahren.


Die Lawinensicherung von Pisten ist noch anspruchsvoller geworden

«Helikoptereinsätze sind aus der Lawinensicherung für Bergbahnen und Schneesportgebiete nicht mehr wegzudenken», unterstreicht auch Andreas Keller vom Verband Seilbahnen Schweiz. Durch den Boom des Freeriding im Tiefschnee sei die Lawinensicherung von Pisten aber noch anspruchsvoller geworden: «Es werden heute vermehrt Hänge befahren, von denen aus Lawinen die markierten Pisten erreichen können. Dies gilt es zu verhindern, auch wenn aus rechtlicher Sicht grundsätzlich die Schneesportler dafür verantwortlich sind, wenn sie abseits der gesicherten Piste Lawinen auslösen und so Dritte gefährden.»

Dort, wo immer wieder gesprengt werden muss, werden vermehrt Sprengmasten installiert. Diese können ferngesteuert, auch nachts oder bei sehr schlechter Sicht Sprengungen ausführen. Aber auch bei den Sprengmasten geht ohne Helikopter nichts: Die Magazine der Masten müssen laufend mit neuen Sprengladungen nachgeladen werden. Und auch das erledigen – natürlich – Helikopter.

  

Dieser Beitrag von Christian Gartmann ist im Aviatikmagazin «Cockpit» (März 2018) erschienen. Er wurde im Auftrag der Swiss Helicopter Association (SHA) erstellt.