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Zum Tag der Kranken ein Zäpfchen von der Landesmutter

In ihrer Ansprache zum Tag der Kranken rief Micheline Calmy-Rey am Sonntagabend traditionsgemäss zur Solidarität mit gesundheitlich benachteiligten Menschen auf. Statt eingängiger Worte, die zum Nachdenken anregen, servierte uns die Bundespräsidentin aber einen Cocktail aus offizieller Verlautbarung und einem Schuss verordneter Einfühlsamkeit. Zielgruppen- und mediengerechte Kommunikation sieht anders aus.

Micheline Calmy-Rey | Quelle: www.eda.admin.ch | Foto: Philippe Christin

Quelle: knill.blogspot.com

Sonntagabend, Schweizer Fernsehen, zwischen „Glanz & Gloria“ und Tagesschau: Zum Tag der Kranken meldet sich Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey zu Wort. Ansprachen von Bundespräsidenten zu besonderen Anlässen gehören für das Schweizer Fernsehpublikum seit Jahrzehnten zur Routine. Mit grosser Regelmässigkeit legen die Magistraten dabei nicht nur Zeugnis ihrer noblen Gesinnung ab, sondern auch von der Unfähigkeit der offiziellen Schweiz, die breite Masse zu erreichen.

 

Schon die offiziös klingenden und oft mit Fremdwörtern gespickten Texte machen es einem grossen Teil des Publikums schwer, sich auf die Solidaritätsaufrufe einzulassen. Hinzu kommt, dass die traditionelle Fernsehansprache mit einer einzigen, unbewegten Kameraposition eigentlich gar keine Fernsehsendung ist – sie ist eine Radioansprache mit Bild. Im aktuellen Fall kommen die Schwierigkeiten einer Genferin hinzu, die sich auch nach vielen Jahren auf der nationalen Politbühne in der deutschen Sprache schwer tut.

Attraktives Fernsehen sieht anders aus.

Ein fragender Blick in Richtung der SRG: Wie kann der Staatssender ein Interesse an einer solchen Sendung haben? Statt der verstaubten Fernsehansprache endlich den Garaus zu machen und die Inhalte mit den Mitteln des Bildes darzustellen, werden die Bundespräsidenten in ein Sendeformat gepfercht, das im wahrsten Sinne des Wortes „keine Bewegung“ zulässt.

 

Frau Calmy-Rey ist kein Barack Obama, der Flirt mit der Kamera fällt ihr schwer. Dass ihr das Reden in Deutsch genauso schwer fällt, will man ihr natürlich nicht vorwerfen – dennoch es machte ihren Auftritt nicht besser. Was diesen Punkt noch akzentuiert, ist der Text: Die Autoren des Monologs zur besten Sendezeit waren zu sehr darauf bedacht, die Magistratin intelligent und überlegen klingen zu lassen. Die gestelzte Wortwahl hätte vielleicht einem Deutschlehrer vor seiner Klasse gut angestanden, einer Romande mit zuweilen schwer verständlichem Akzent wird sie von der breiten Masse schlicht nicht abgenommen.

Nur zielgruppengerechte Inhalte können ankommen.

Die Kommunikationsberater der Bundespräsidentin halten offenbar nichts von volksnaher, einfach verständlicher Kommunikation. Dabei gibt es so gut wie nichts, was man in einfacher, gesprochener Sprache und ohne Fremdwörter nicht auch erklären könnte. Wählt man neben einer verständlichen Sprache auch noch ein Sendeformat, das der Absenderin entgegenkommt und dem Publikumsempfinden entspricht, wahrt man die Chance, dass die Nachricht bei der Zielgruppe auch ankommt und etwas bewirken kann.

 

Wer im Heute lebt und im Heute kommunizieren will, tut gut daran, sich primär auf die Bedürfnisse des Publikums einzustellen. Zielgruppen- und auch mediengerecht aufbereitete und professionell präsentierte Inhalte sind das A und O von Kommunikation, die ankommt. Dieses Vorhaben misslang – der Vortrag war in Text und Sendeformat etwa so bewegend wie die Verabreichung eines Zäpfchens.

 

Kommentar: Christian Gartmann, gartmann.biz

 

Link zum Text der Rede auf der Website des Bundes.