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Zusammenwachsen über Zusammenarbeit

Poschiavo unterstützt die Gemeinde Pontresina bei der Vermarktung der Berninaregion als «Glacier Bernina». Nicht nur finanziell emanzipiere sich die kleine Destination ennet dem Berninapass: Als Bindeglied zu den italienischen Nachbarn werde das Valposchiavo zum Partner des Oberengadins für touristische Projekte der Zukunft, schreibt Alessandro Della Vedova*

Das Puschlav ist keine autarke Region – und will oder wird es auch nie sein. Dennoch haben wir uns vor zwei Jahren vehement gegen eine Gebietsreform gewehrt, die das Puschlav einfach mit der Region Maloja / Engadin zusammengelegt hätte. Die beiden Regionen nördlich und südlich des Bernina können zwar zusammenwachsen – aber aus freien Stücken und über fruchtbare Zusammenarbeit.


Ein kleiner, aber emblematischer Entscheid illustriert meine These: Poschiavo unterstützt – trotz vorübergehend leerer Gemeindekassen – die Gemeinde Pontresina mit 80‘000 Franken bei der Vermarktung der Berninaregion als «Bernina Glacier». Beide Partner haben gemerkt, dass das Puschlav mit seiner Geschichte, Kultur und Architektur, mit seiner typisch italienischen Kochkunst und der unbefleckten Natur auch für die Gäste des Engadins interessant sein kann.


Was wäre zum Beispiel die RhB-Erfolgsstrecke St. Moritz–Tirano ohne das Valposchiavo – mit seiner natürlichen, landschaftlichen und klimatischen Vielfalt, die den Gast auf wenigen Schienen-Kilometern vom hochalpinen Berninapass zu den fast schon mediterranen Gestaden des Lago di Poschiavo bringt?


Der Trend der Zeit arbeitet für das Puschlav: Eine reine Positionierung als Refugium des «Jet Set» reicht heute nicht mehr, um ein Tal wie das Engadin zu ernähren. Die Gäste verlangen nach einer neuen Echtheit und Einfachheit und schätzen zum Beispiel die Nischenprodukte, die ein Puschlav oder auch ein Bergell bieten können. Sie lieben das authentische, einfache Ambiente, das komplementär zum wunderschönen, aber touristisch so hoch entwickelten Engadin zum Vorschein kommt.


Es ist Zeit für eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Engadin und den Südtälern: Beide Talschaften können nur profitieren, wenn unsere Gäste beide Seiten des Bernina besuchen. Die Gemeinde Poschiavo hat dieses Potenzial erkannt und den Vorschlag der Gemeinde Pontresina, ins Projekt «Bernina Glacier» einzutreten, gerne angenommen. Zusammen sollen nun die natürlichen Schönheiten des Bernina-Aggregats auf beiden Seiten des Passes besser inszeniert werden. Engadiner wie Puschlaver können davon nur profitieren.


Es ist aber noch viel mehr möglich: Anders als in der Vergangenheit könnte das Puschlav dem Engadin heute neue Potenziale eröffnen: Solide und täglich gelebte Beziehungen ins Veltlin und die Region Lombardei machen das Puschlav zu einem verlässlichen Partner bei der Wieder-Erschliessung des Marktes Norditalien – im Hinblick auf die Weltausstellung 2015 in Mailand, aber auch bei den Bemühungen um die traditionellen Mailänder Gäste, die dem Engadin in letzter Zeit etwas abhanden gekommen sind.


Der Alltag zeigt, dass das Engadin auf seinen Nachbarn südlich des Bernina-Passes zählen kann. Ein Nachbar, der versucht, in die Zukunft zu schauen, seine Rolle als Brückenbauer zwischen Norden und Süden ernsthaft zu spielen und trotz schwieriger Wirtschafts- und Finanzlage bereit ist, im Interesse beider Talschaften in die gemeinsame Zukunft zu investieren. Die ursprüngliche, auf Papier geplante Gebietsreform hat zwar nicht stattgefunden, aber die durch diese beabsichtigten Synergien beginnen trotzdem Fuss zu fassen.

 


*Alessandro Della Vedova ist Vizepräsident der CVP Graubünden, Grossrat Kreis Poschiavo und Podestà  der Gemeinde Poschiavo.


Dieser Text erschien in der Engadiner Post vom 11. Februar 2014